AllgemeinesUnter einer Rektozele versteht man eine Aussackung desEnddarmes mit Vorwölbung in die Scheide unmittelbaroberhalb der Schließmuskulatur. Die Ursache und derMechanismus für die Entstehung einer solchen Vorwölbungsind noch nicht ausreichend geklärt.Vergesellschaftet ist die Rektozele häufig mit weiterenVeränderungen der normalen Anatomie im Rahmen einerBeckenbodensenkung bzw. einer Beckenbodeninsuffizienz.UrsachenFolgende Faktoren scheinen nach derzeitigem Standder Wissenschaft bei der Entstehung eine Rolle zu spielen:Schwangerschaften und natürliche GeburtenGynäkologische VoroperationenChronische Verstopfung Starkes Pressen bei der StuhlentleerungÜbergewichtHöheres AlterAuf Grund der anatomischen Unterschiede ist eineAussackung des Enddarmes nach vorne beim Mannkaum möglich und daher so gut wie nicht anzutreffen.Die Schließmuskulatur des Enddarms ist beim Mann vorneund hinten gleich kräftig, bei der Frau ist der äußereSchließmuskel vorne deutlich dünner. Beim Mann verhindertdie vor dem Darm liegende Vorsteherdrüse (Prostata)die Ausbreitung des Darmes nach vorne,bei der Frau finden sich hier anatomisch keine Hindernisse.Hat die Beckenbodenmuskulatur die „normale“ Position,bleibt für den Durchtritt durch das Becken zwischenSteißbein und Schambein ein maximale Breitevon ca. 7 – 9 cm für die Organe Enddarm, Scheide undBlasenhals. Auch dies scheint bei jüngeren Patientinnendie Ausbeulung des Enddarmes nach vorne zu verhindern.Sinkt der Beckenboden, z. B. nach Geburten und beizunehmendem Nachlassen des Bindegewebes im Alternach unten, ist dann unterhalb des knöchernen Ringsgenügend Raum für eine Ausdehnung des Enddarmesohne Widerstand und Gegendruck vorhanden.Bei ca. 50 % aller Frauen über 50 Jahre findet man eineRektozele bei der gynäkologischen oder proktologischenUntersuchung. Eine Behandlung ist aber nur erforderlich,wenn es auf Grund der vorhandenen Rektozelezu Beschwerden (Symptomen) kommt.Symptome - BeschwerdenEine große Rektozele kann die Stuhlentleerungaus mehreren Gründen äußerst behindern.Rektozelen sind daher eine häufige Ursache für einso genanntes Obstruktives Defäkations Syndrom (ODS).Patientinnen die schon jahrelang unter einer chronischenVerstopfung leiden, merken diese langsam fortschreitendenVeränderungen kaum.Typische Merkmale eines ODS sind:- Langes und intensives Pressen bei der Stuhlentleerung - Absetzen von Blut oder Schleim bei der Entleerung- Juckreiz und Ekzeme- Schmerzen im Bereich des Dammes oder des Enddarms- Druck gegen die hintere Scheidenwand durch die Patientin- Benutzen von Einläufen und Abführmittel, um überhaupt eine Entleerung zu ermöglichen- Absetzen des Stuhlganges in mehreren Portionen- „Nachkleckern“ und Stuhlschmieren (Soiling) nach der Stuhlentleerung- Entstehen von Geschwüren im Enddarm (so genanntes solitäres Rektumulcus)Häufig führen diese Symptome zur deutlichen Beeinträchtigungder Lebensqualität, betroffene Patientinnen trauen sich nichtmehr aus dem Haus.Diese typischen Beschwerden entstehen aus mehrerenGründen. Beim Pressen zur Stuhlentleerung füllt sich erstdie Rektozele mit Stuhl, bevor es zur Entleerung kommt.Durch eine begleitende Beckenbodensenkung ist der Winkelvon Enddarm und After verändert und der Druck beim Pressenwird nicht auf den After, sondern in die Rektozele in RichtungScheide geleitet.Die Wand des Enddarms ist im Bereich der Rektozeleausgedünnt und besitzt keine funktionsfähige Muskulatur mehr.Durch die Rektozele ist die Wand des Enddarms vorne länger(„ausgeleiert“). Ist der Enddarm leer, entstehen Falten,die wie eine Gardine in den Enddarm bis zum After fallen.Man nennt einen solchen „inneren“ Vorfall des Enddarmseinen Rektumprolaps.Im Stadium I erreicht dieser Vorfall nicht die Zone desSchließmuskels, man nennt einen solchen Vorfalleine Intussuszeption (gesprochen: Intus-sus-zeption).Im Stadium II wird der Schließmuskel durch den Vorfallerreicht, dies führt unter Umständen zu einem ständigenStuhldrang oder Druckgefühl. In diesem Stadium drücktmanchmal die Kante des Vorfalls (die Unterkante der Gardine)auf die Schleimhaut in Höhe des Schließmuskels.Dann ist es möglich, dass an den BerührungsstellenReizungen und im Extremfall Geschwüre (Solitäres Rektumulcus,im englischen SRUS = Solitary Rectal Ulcer Syndrome)entstehen. Schmerzen, Schleimabsonderungen und Blutungenaus dem Darm können die Folge sein.Im Stadium III überschreitet der Vorfall den After, der Enddarmfällt nach außen vor.Der innere Vorfall kann dazu führen, dass sich die Darmwandbeim Versuch der Entleerung wie eine Klappe vor den Ausganglegt und damit die Entleerung verhindert.Viele Zusammenhänge zwischen den Beschwerdender Patientinnen und der Rektozele und des innerenRektumvorfalls (der Intussuszeption) wurden jahrelangvon den Medizinern nicht erkannt. Es ist sicher ein Verdienstvon Frau Primaria Dr. Boller, Radiologin imElisabeth-Krankenhaus in Wien, und Dr. Antonio Longo,Chirurg und Proktologe aus Palermo, dass diesesKrankheitsbild in den Blickpunkt der medizinischenÖffentlichkeit gelangte.Frau Dr. Boller hat an Hand von über 3000Röntgenuntersuchungen, so genannter Defäkographien,die Zusammenhänge darstellen können,Dr. Antonio Longo entwickelte eine neue Operationsmethode,um die Symptome der Rektozele zu behandeln,die so genannte S.T.A.R.R. Operation(Stapler assisted Transanal Rectum Resection).DiagnostikDie Rektozele und deren Symptome entstehen unterUmständen über Jahre. Um sicher zu sein, dass die obenbeschriebenen Beschwerden tatsächlich von einer Rektozeleund/oder Intussuszeption ausgehen, ist eine langwierige undexakte Diagnostik erforderlich.Am Beginn steht die Erfassung der Krankengeschichte.Eventuell wird ein so genannter Score erstellt,dass heißt eine Bewertung/Wertung des Schweregradesan Hand einer Tabelle vorgenommen. Eine rektal-digitaleUntersuchung, eine Proktoskopie und eine Rektoskopieschließen sich an. Zur Abklärung anderer Ursachen einerVerstopfung kann eine Darmspiegelung und vielleicht aucheine Bestimmung der Kolon-Transit-Zeit notwendig sein.Bei zusätzlichen Beschwerden von Seiten der Harnblasekann eine gynäkologische, urogynäkologische und/oderurologische Untersuchung sinnvoll sein.Sprechen die Ergebnisse der oben genanntenUntersuchungen für ein ODS, einen inneren Rektumvorfalloder gar ein Ulcus, ist unter Umständen eine Defäkographieoder MR-Defäkographie erforderlich, um die Erkrankungin letzter Konsequenz nachzuweisen.TherapieIn den meisten Fällen steht nach Abschluss der Untersuchungenzunächst ein Behandlungsversuch ohne Operation imVordergrund. Es wird versucht, durch Umstellung der Ernährungund zusätzliche Gabe von Medikamenten, die den Stuhlaufweichen und die Stuhlmenge erhöhen (Quellmittel)und/oder die Gabe von Medikamenten, die die Transport-geschwindigkeit des Darmes erhöhen, eine Linderung derSymptome zu erreichen. Liegt zusätzlich eine Koordinations-störung oder eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur vor,kann die Verordnung von physiotherapeutischen Maßnahmen(Beckenbodengymnastik) mit oder ohne Biofeedbacksinnvoll sein.Ernste Komplikationen wie Blutungen, ein äußerer Vorfalldes Enddarms, ein Geschwür, oder eine sehr große Rektozelekönnen ein Grund sein, um direkt eine Operation durchzuführen.Zwei Operationsprinzipien stehen zur Auswahl:Bei der S.T.A.R.R. Operation wird in einer Teil- oder Vollnarkoseeine ca. 4 – 8 cm breite Manschette des Enddarms durchden After entfernt.Bei der hinteren Scheidenraffung (hintere Kolporrhaphie)werden die hintere Scheidenwand und der Zwischenraumzwischen Enddarm und Scheide so verstärkt, dass dieRektozele sich nicht mehr ausdehnen kann. Nachteil desletzteren Verfahrens ist, dass der Gewebeüberschuss imBereich des Enddarms, also der Prolaps, nicht beseitigt wird.
Interner Rektumprolaps 2. Grades - ODS - RektozeleVor der Operation ist nur die Schleimhaut desEnddarmes erkennbar, die leicht vor den Aftervorfällt.
Interner Rektumprolaps 2. Grades - ODS - RektozeleZu Beginn der Operation ist der interne Vorfall desEnddarmes erkennbar. Die Schleimhaut ist deutlichgerötet. Dies führte immer wieder zu Blutabgängen.
Interner Rektumprolaps 2. Grades - ODS - RektozeleNach Operation ist der Vorfall nicht mehr erkennbar,durch die S.T.A.R.R. Operation wurden ca. 4 cm derWand des Enddarmes entfernt.