Allgemeines Der Verlust der Fähigkeit, den Stuhl zu halten (Stuhlinkontinenz) ist wohl eines der gravierenden Erkrankungsbilder im Alter. Die Stuhlinkontinenz führt zu sozialer Isolation, ggf. zur Pflege- bedürftigkeit und zur schweren Einschränkung der Lebens- qualität. Dies ist um so schlimmer, wenn der Patient ansonsten keine schweren Erkrankungen vorzuweisen hat. Statistische Erhebung zeigen, dass ca. 1 - 3 % der Bevölkerung in der BRD eine Stuhlinkontinenz vorweisen. Es handelt sich also mindestens um 800.000 Erkrankte. Die Dunkelziffer ist sicher höher, da Betroffene über ihr Problem nicht reden. Eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit ist zu erwarten, da die Lebenserwartung in den westlichen Ländern ständig zunimmt. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Einteilung Die derzeit gebräuchliche medizinische Einteilung ist einfach nachzuvollziehen: Grad 1: Unkontrollierter Abgang von Winden Grad 2: Unkontrollierter Abgang von dünnflüssigem Stuhl Grad 3: Unkontrollierter Abgang von festem Stuhl Abzugrenzen ist das Stuhlschmieren (Soiling). Dieses wird im Zusammenhang mit vielen Erkrankungen des Enddarmes beobachtet (z. B. Hämorrhoidalleiden) und ist Ausdruck einer leichten Undichtigkeit des Afters. Diese sit aber nach Beseitigung der Grunderkrankung häufig verschwunden. Warum sind wir dicht? Letztendlich ist diese Frage auch durch die moderne Wissenschaft noch nicht zu 100% beantwortet. An der Fähigkeit, den Stuhl zu halten (Stuhlkontinenz), sind eine Vielzahl von Faktoren beteiligt. Jede Störung einer dieser Komponenten kann daher zur Inkontinenz führen. 1.) Stuhlbeschaffenheit Nach der Nahrungsaufnahme wird der Speisebrei im Magen zersetzt und verflüssigt. Gallenflüssigkeit und chemische Stoffe aus der Bauchspeicheldrüse (Fermente, Enzyme) helfen bei der Zersetzung. Im Dünndarm erfolgt eine kräftige Durchmischung des Speisebreis. Im letzten Teil des Dünndarms (Ileum) werden die meisten Nährstoffe aufgenommen. Anschließend erfolgt der Weitertransport in den Dickdarm. Dort erfolgt eine weitere Zersetzung des Stuhls durch Milliarden von Bakterien, mit denen der Mensch in Einklang lebt. Diese sind zum Teil in der Lage, unverdauliche Bestandteile, insbesondere pflanzliche Bestandteile (Cellulose) weiter zu zersetzen und diese für den Mensch nutzbar zu machen. Im unteren Teil des Dickdarmes (Sigma) wird dem Stuhl anschließend Wasser entzogen, der Stuhl wird fest. Einmal bis dreimal pro Tag wird der feste Stuhl in den Enddarm (das Rektum) transportiert und von dort aus ausgeschieden. Jede Störung diese oben genannten Prozesses durch Entzündungen, Voroperationen oder vieler anderer Erkrankungen (Reizdarm, Laktoseintoleranz) führt unter Umständen zu Durchfällen und zu einer häufigeren Stuhl- entleerung. Bei einem schwachen Abschlusssystem des Enddarmes entsteht so unter Umständen eine Stuhlinkontinenz 2. Grades. 2. Der Enddarm, das Rektum Der Enddarm (das Rektum) ist nicht nur ein glattes, festes Rohr. Die Wand des Enddarmes ist dehnbar und damit in der Lage, eine größere Menge Stuhl aufzunehmen. In der Darmwand sind Dehnungsfühler enthalten. Wird die Wand durch die Stuhlmenge gedehnt, wird dem Körper signalisiert, dass eine Entleerung bevorsteht. Die Suche nach der nächstgelegenen Toilette beginnt. Der Mensch, und das weiß jeder, ist nur eine begrenzte Zeit willentlich in der Lage, die Entleerung herauszuzögern. Bei normalem Stuhl gelingt dies besser, als bei dünnflüssigem Stuhl. Chronische Entzündungen und Voroperationen können die Dehnbarkeit des Enddarms verändern. Somit ist die Vorratsfunktion (Reservoir) des Enddarmes eingeschränkt. Dies führt unter Umständen zur Stuhlinkontinenz. 3. Das Abschlusssystem Das Abschlusssystem des Enddarms besteht aus zwei Komponenten, dem Muskelsystem und den Hämorrhoiden. Die Muskulatur lässt sich in 4 Gruppen unterteilen. a.     Der “innere” Schließmuskel. Dieser dünne Muskelring ist ist immer geschlossen. Er ist für ca. 2/3 der Kontinenz verantwortlich. Bei der Entleerung wird er durch einen Reflex “ausgeschaltet”. Über diesen Reflex kann der After “geöffnet” werden. b.     Der “äußere” Schließmuskel. Dieser Muskelring besteht aus drei Etagen. Er ist willkürlich vom Menschen steuerbar und mit dafür “verantwortlich”, dass wir, im Falle eines fehlenden WC, die Entleerung hinauszögern können. Dies geht aber nur für kurze Zeit. Dieser Schließmuskel ist beim Mann wesentlich dicker und mächtiger als bei der Frau. Bei der Frau ist er Muskel auf der Vorderseite (zur Scheide hin) deutlich schmaler. c.     Der Musculus puborectalis. Bei diesem Muskel handelt es sich um eine Schlinge, die den Enddarm umgreift und im Becken am Schambein befestigt ist. Wird dieser angespannt knickt der Enddarm ab. Dies ist ein zusätzlicher Mechanismus, um die Entleerung zu verzögern. d.     Die Beckenbodenmuskulatur. Diese besteht aus einer dünnen Muskelplatte, die in der Lage ist, den Becken- boden zu straffen und anzuheben. Dies hilft sowohl bei der Entleerung als auch bei der Kontinenzleistung. Die Hämorhoiden (e) dienen als zusätzlich Abdichtungssystem im Bereich des Enddarmes. Der Abfluss dieser blutgefüllten Schwellkörper ist bei der dauernd angespannten inneren Schließmuskulatur behindert. Die Hämorrhoidalknoten füllen sich mit Blut und schwellen an. Sie liegen dann in der Mitte aneinander und dichten den Analkanal zusätzlich ab. Bei der Entleerung wird der innere Schließmuskel entspannt, die Hämorrhoiden können sich entleeren, der Analkanal wird geöffnet. Vorraussetzung für eine korrekte Funktion der Hämorrhoiden als Abdichtungssystem ist eine normale Form und Lage dieser Kissen. Sind die Hämorrhoiden vergrößert oder abgesenkt (ab Stadium II) kann dies zu Undichtigkeiten führen. Dieses äußert sich zunächst durch Stuhlschmieren (Soiling), kann aber bei extremen Befunden auch zur Stuhlinkontinenz führen. 4. Das richtige Gefühl - Die Sensibilität Die “Haut” des Analkanals (Anoderm) ist hochempfindlich. Der Mensch ist durch diese Empfindlichkeit in der Lage, zu spüren ob der Stuhl, der durch diese Zone rutscht, flüssig oder fest ist oder ob es sich nur um Luft handelt. Ein Reiskorn oder ein kleiner Rest Toilettenpapier in diesem Bereich kann jeder Mensch spüren und wird als störend empfunden. Durch Entzündungen, Voroperationen oder Bestrahlung kann die Sensibilität des Anoderm erheblich gestört sein, auch dies kann zur Stuhlinkontinenz führen. 5. Die Nerven Es gibt zwei Nervensysteme die den Beckenboden und den Enddarm versorgen. Ein Nerv kommt aus den Öffnungen S2, S3 und S4 aus dem Kreuzbein im kleinen Becken und zieht rechts und links in einem Kanal der Beckenbodenmuskulatur zum Enddarm, zur Prostata (beim Mann), zur Blase und zu den Genitalorganen. Es handelt sich um Nervus pudendus. Ein zweites System zieht im kleinen Becken entlang und gehört zu dem so genannten vegetativen Nervensystem (autonomes Nervensystem), welches nicht der Willkür unterliegt. Das vegetative Nerven- system steuert eigenständig alle Funktionen der inneren Organe des menschlichen Körpers. Vergleichbar für den medizinischen Laien ist die vollautomatische Steuerung einer Heizungsanlage, die die Wohnraumtemperatur konstant hält, die Heizung bei bestimmten Außentemperaturen an- oder ausschaltet. Die Nervenstränge, die den Beckenboden und damit Enddarm, Blase und Genitale versorgen heißen Plexus hypogasticus inferior. Werden die oben erwähnten Nerven geschädigt, z. B. durch Operationen, Entzündungen, Bestrahlungen, Verletzungen oder generalisierte Nervenerkrankungen, führt dies zur Störung von Kontinenz und Entleerungsstörungen. Diskutiert wird derzeit die Schädigung des Nervus pudendus durch eine häufig bei Frauen im Alter vorkommende Beckenbodensenkung. Der Nerv wird bei dieser Erkrankung ständig gedehnt und somit auf Dauer geschädigt. Auch dies kann zu Entleerungsstörungen und zur Stuhlinkontinenz führen (Traktionsneuropathie). Die Anzahl neurologischer Erkrankungen, die zur Stuhlinkontinenz führen können, ist groß. Hier nur die häufigsten Ursachen: Multiple Sklerose, Schlaganfall, Demenz und Tumore. Gehäuft werden Probleme aber auch bei Diabetes mellitus, Übergewicht und Morbus Parkinson gefunden.
Enddarm Rektum
      Stuhlinkontinenz Grundlagen (vereinfachte Darstellung)
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